Haimo L. Handl

Netcult  -  Kolumne im COMPUTER JOURNAL  # 10/2001


Zauberwort Sicherheit

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist das Thema „Sicherheit“ nicht nur in aller Munde, sondern auch aktives Handlungsfeld. Zwar hatten gerade diese bisher monströsesten Attacken gezeigt, dass x-fache Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen nicht in der Lage waren, irgendwelche brauchbare Informationen recht- oder frühzeitig zu liefern, sonst wäre die „Überraschung“ nicht gelungen. Und überrascht waren alle: die staatlichen „Stellen“, die mit Milliarden- und Millionenbudgets „professionell“ Daten erheben, kanalisieren, analysieren, filtern, manipulieren etc.

Cyber War sei ja keine leere Floskel, betont man. Trotzdem waren den höchstgerüsteten Geheimdiensten und Chefabhorchern die nötigen Daten entgangen. Peinlich, peinlich. Doch wie sieht die Alternative aus: noch mehr Kontrolle, noch mehr Überwachung, noch mehr Datenanalyse, noch mehr Prävention. Als ob damit Sicherheit gewonnen werden könnte.

Wo kein Leben ist, ist auch keine Lebensbedrohung. Gesellschaftlich gesehen: wo ich die Freiheit beschränke oder abschaffe, ist sie nicht mehr bedroht bzw. bedroht sie mich nicht mehr.

Das hysterische Sicherheitsdenken eliminiert Freiheit, dessen Schutz es vorgibt. Das ist ungefähr so unsinnig wie das Vorgehen jener Ärzte oder Operateure, die zum Schutz des Patienten ihn lähmen, damit er sich keinen Beinbruch mehr zuziehen kann...

Es ist nicht nur eine Sache der Politik und die große Chance jener politischen Vertreter, denen die pluralistische Gesellschaftsordnung mit ihren riskanten Freiheiten seit je ein Dorn im Auge war. Die wollen jetzt die Gunst der Stunde nutzen und in der geschürten Angst weitgehendste Befugnisse erhalten, die sie unter „normalen“ Um- und Zuständen nie bekommen hätten.

Durch die allgemeine Verunsicherung, gepaart mit einer wachsenden Hysterie stimmt die Mehrheit wieder einmal Maßnahmen zu, die ihren ureigensten Interessen widersprichen: Bürgerrechte gelten eben nie soviel wie das Versprechen von Sicherheit.

Eine andere Sache ist das Geschäft und der Profit. Etliche Firmen warten gierig auf Verkaufschancen und Fördermittel für weitere Forschung und Entwicklung: ein neuer Markt tut sich auf neben dem konventionellen Rüstungsbereich: Cyber War braucht Waffen – und es gibt genug Ingenieure und Firmen, die die „Munition“ liefern können und wollen.

Bei all dem dient „Sicherheit“ nur als Vorwand. Hier schließen sich politische Interessen mit denen der IT-Wirtschaft, zum Schaden der Gesellschaften sowie der Bürger- und Freiheitsrechte.