Haimo L. Handl

Ergänzung zum Artikel CHATTING & CONVERSING:

Chatting
Online Kommunikationsform

Direkte Kommunikation mittels Computer und Modemverbindung in Echtzeit, schriftlich, mündlich, schriftlich & mündlich oder auch mit Video.

Die online Kommunikation kann als Internetphone ohne chat room nach Vereinbarung, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, erfolgen. Der Unterschied zum chat liegt dann darin, die Gesprächspartner (es können in einer Konferenzschaltung mehrere Teilnehmer abwechselnd sprechen) identifiziert sind (zumindest über die Anschlüsse).

Für gewöhnlich nutzen Chatter eingerichtete chat rooms, die sie anwählen bzw. in welche sie eintreten und an der laufenden Kommunikation teilnehmen. Der chat room gibt fast immer den Interessensbereich oder die Teilnahmebedingungen an. Meist kann man ohne Verifikaiton seiner Identität einsteigen bzw. der Anbieter offeriert sogar eine chiffrierte e-mail Adresse für eventuellen weierfolgenden Nachrichtenaustausch.

Die meisten chat rooms haben Moderatoren oder Operateure, die jene, welche (stark) gegen die Netikette verstossen, aus dem Kommunikationsfeld (-verlauf) entfernen.

Für einige chat rooms muss man sich anmelden und seine aktuelle e-mail Adresse anführen. In solchen Fällen werden Regelverletzer auf eine Ausschlussliste gesetzt: das Programm erlaubt dann keinen Einstieg mehr über diese e-mail Adresse.

Der übliche chat gestattet also Kommunikaiton inkognito oder anonym. Diese Anonymität hilft natürlich jenen zur Artikulation, die sich sonst scheuen auszudrücken.

Ein Besuch verschiedener chat rooms zeigt, dass mit wenigen Ausnahmen, wo Thema, Interessensgebiet und damit verbundene Motivation hoch erwartbar sind, die Teilnehmer eigentlich wenig zu sagen haben und auch nicht erwarten, dass die anderen was sagen. Ähnlich dem CB (Funk über citizen band), der früher Mode war, überwiegt fast eine reduzierte, restringierte Ersatzkommunikation.

Je einschlägiger die Teilnehmergruppe, zB. Sportfans, politische Aktivisten oder Kontaktsuchende (Sex), desto stärker der verwendete Jargon. Der Jargon ist meist nicht selbst grob, wird aber sehr oft roh, grob und respektlos eingesetzt. Die Hemmschwelle, ab der Regelverstösse geahndet werden, ist ziemlich tief gesunken.

Als im Fernsehen vor vielen Jahren live-Sendungen möglich wurden, war die Begeisterung allein aufgrund dieses live-Charakters, des Dabeiseins ausreichend für Wertschätzung und Teilnahme! Ähnliches scheint sich im chat heute zu wiederholen: online auch mit Fremden, die man sonst keines Blickes würdigte, zu chatten wiegt anscheind auf, dass man sich eigentlich nichts sagt. Allein die Übung, dass man rasch über riesige Entfernungen billig „kommuniziert“, begeistert und hält viele Teilnehmer am Schirm.

Trotz dieser offenkundigen Schwächen bzw. unreifen Seiten liegt in dieser Kulturtechnik ein sehr positives, entwickelbares Potential, das sicher seine Anwender finden wird bzw. in Ansätzen schon gefunden hat.

ad hoc 2/98