close your eyes
RITHA KONGA
Haimo L. Handl, 29.04.1998
Schließe deine Augen, sieh´ und schau. Ein Widerspruch?
Bilder zeigen, wie alle Abbildungen, Sichtbares, Oberflächen. Im
Grenzbereich, wo es nicht um Abbildung geht, obwohl das Gebilde als
bildnerisches Zeichenensemble und -botschaft Bild bleibt, wird aber
mehr als Oberfläche wahrnehmbar, wenn auch nicht optisch perzeptiert.
Es kommen Farben und Formen ins Gesichtsfeld, die als Schichten deutbar
sind, ähnlich Umhüllungen, die abgenommen, schichtweise das
Eigentliche näher bringen, obwohl das Eigentliche als solches nicht
habhaft wäre, so, wie die Zwiebel keinen Kern hat, den man, wenn
alle Schichten genommen, erobert sind, dann vor sich hätte als
Zentrum.
In den künstlerischen Artikulationen finden sich Ergebnisse unterschiedlichster
Bildungsfaktoren, die man, je nach Intention und Kenntnisgrad, direkten
Sozialisationsfaktoren, Umwelt, Milieu, Genstruktur usw. zuschreiben
könnte. Niemand kommt fertig auf die Welt, niemand bleibt, was
sie oder er war.
Dies eingedenk verwundert die immer noch weit verbreitete Tendenz und
allzuleichte Bereitschaft, Werke von Künstlerinnen oder Künstlern,
die nicht unserem Kulturkreis entstammen, mit einem anderen Maßstab
zu bewerten, in einem anderen, spezifischen Erwartungsrahmen zu sehen.
Insbesondere in Werken von Afrikanern wird eine eigene Färbung
ihrer Ethnie erwartet oder ein besonderer Einfluß ihrer Tradition,
immer im Blickfeld unserer Sicht, wie wir uns eben die oder den typischen
Afrikanerin oder Afrikaner vorstellen. Hier schwingt noch viel unserer
belasteten Vergangenheit mit, was vielen keinen unbeschwerten Zugang
zu den gegenwärtigen Zeugnissen künstlerischer Produktion
von Afrikanern erlaubt.
Leute, die wissen, wie begierig ein Tzara, Braque, Picasso, um nur
ein paar zu nennen, die sogenannte primitive Kunst aufnahmen und wirken
ließen, sich bewußt beeinflussen ließen von ihr, zeigen
sich verwundert, wenn afrikanische Künstler "modern"
arbeiten und keine direkten Spuren ihrer Ethnie, ihrer Tradition, entsprechend
der Seh- und Denkgewohnheit der Europäer, zeigen.
Wie nun, wenn eine Afrikanerin in ihren Werken eine Bilderwelt zeigt,
die Impulse von Art brut und Primitivismus zu verbinden scheint? Wenn
ihre Werke uns gar nicht fremd erscheinen, sondern bekannt? Wer ist
bereit, dies als Qualität zu erkennen anstatt sofort zu kategorisieren
und sich enttäuscht zu zeigen, weil die Bilderwelt nicht "afrikanisch"
sei. Wie müßte sie sein, daß sie afrikanisch wäre?
Sollten wir das Etikett "afrikanisch" überhaupt verwenden?
Interessiert es uns als Betrachter, ob Baselitz als Deutscher Gewicht
hat? Spielt es eine Rolle, daß Tapies nicht aus Kanada stammt?
Schätzen wir einen Attersee, weil er Österreicher ist?
Verläßt man also dieses dürftige Podest vorgefaßter
Erwartungen und eingeengter Blickwinkel, eröffnet sich die Möglichkeit
zur Auseinandersetzung mit einem Werk einer Künstlerin, die in
ihrem kurzen Leben, auch in ihrem kurzen künstlerischen Leben,
Spuren hinterließ´, die "beredt" sind, die das
Auge einnehmen, die Schichten als Geschichten, bildnerisch, vermitteln.
Ritha Kongas Bilder treten in einer formalen Strenge auf, orientieren
sich an Erinnerungsgehalten, die offensichtlich nach Artikulation verlangten.
Es geht um eine Leiblichkeit, Körperlichkeit als dem Wesentlichen:
Ausdruck einer Diesseitigkeit, die in allem Lebendigen gesehen wird.
Die Welt aber nicht nur als Vergewisserung, sondern auch als Ort der
Bedrängnis, des Schreckens, des Todes als dem Ende aller Körperlichkeit.
Dieses Spannungsfeld, gespeist aus Erinnerungen als auch gebildet aus
Visionen, macht den Kern der Bildwelt Ritha Kongas aus.
Im Zentrum stehen Lebewesen, meist Menschen, aber auch Tiere, die seltsam
nah dem Menschen verbunden scheinen. Die Formen sind "einfach",
reduziert, die Farben stark, eindringlich. Ihre Stärke artikuliert
sich im Positiven als auch Negativen: Botschaften aus dem Leben, das
seinen Abgrund nicht verkennt, das den Blick am Rand zeigt: voll Erstaunen,
voll Fremdheit, voll Schrecken. Close your eyes, es blendet, schließ
deine Augen, gewöhn´ dich ans Dunkle, damit du mehr siehst.
Bevor Ritha Konga ihre eigenen Augen schloß, hinterließ
sie Zeugnsise dessen, was sie gesehen hatte, was in ihrem Blickfeld
war, was vor uns liegt.
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