Adam Adamczyks neuer Bilderzyklus
Hommage à Szymanowski
Dr. Haimo L. Handl, 10.11.2002
Zum Verständnis, wie es zu diesem Bilderzyklus kam, eine kurze
Vorbemerkung. Der Mitorganisator der Karol Szymanowski-Veranstaltung
"Mensch - Künstler - Europäer" in Wien, Piotr Szalsza,
kennt schon lange den ebenfalls in Wien lebenden polnischen Künstler
Adam Adamczyk. Sie sind Freunde. Piotr kennt Adams Werk und spricht
ihn auf Szymanowski an. Adam befasst sich mit dessen Werk sowie Biografie
und wird elektrisiert. In einigen Werkaspekten zeigen sich Nachbarschaften,
die er nie vermutet hätte. Adam Adamczyk beginnt seine Hommage-Arbeit.
Adam kennt mich, einen in Österreich lebenden Österreicher,
schon lange. Wir sind befreundet. Er lädt mich ein, seinen neuen
Zyklus zu beschauen, mir Gedanken zu machen. Ich willige ein, lese ebenfalls
über Szymanowski, horch mir einige Werke an und verbinde meine
Eindrücke mit denen, die Adams Bilder in mir hervorrufen. Davon
also jetzt:
Hommage an Szymanowski
Es waren weniger biografische Fakten des Komponisten, die Adam Adamczyk
ansprachen, obwohl einige Ereignisse, Begebenheiten und Haltungen ihn
faszinierten: seine weltoffene, europäische Orientierung, seine
künstlerische Courage und sein Bestreben musikalischer Neuerungen
trotz heftiger Abwehrreaktionen der Etablierten in seiner Heimat.
Was ihn "ansprang" waren gewisse Werke, die unter Beweis
stellten, dass der Versuch sich Einflüssen zu öffnen nicht
in Selbstaufgabe mündete, sondern in Reifung und Ausformung der
künstlerischen Persönlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit erregten
zwei Werke aus der 2. Schaffensfase Szymanowskis: die Oper "König
Roger", welche Allusionen an Wagners Parzival bietet sowie das
Klavierwerk "Masken" aus den Jahren 1915-16. In beiden Werken
spielt der Tristan- oder Tantris-Mythos eine Rolle. Tantris, das ist
der verkleidete Tristan, der die Maske der Verkleidung zur Erreichung
seiner Ziele nutzt.
Tantris, der Narr. Die Mähr vom "tumben tor" geht auf
keltische Sagen zurück und hat im ganzen Abendland Ausarbeitungen
und Versionen gefunden. Wenn auch einzelne Fassungen inhaltlich variieren,
ist allen ein Kern des Mythos eigen.
Und genau dieser Kern des Mythos bildet das Ausgangszentrum von Adam
Adamczyks Hommage. Es geht um Masken, Verkleidung, Narretei. Masken
dienen nicht nur dem Schutz und Versteck, um unerkannt durchzukommen,
um sich vor bösen Blicken oder Geisterhänden zu schützen.
Sie dienen auch der besonderen Betonung und Darstellung einer gewählten
Rolle. Sie sind "persona", Persönlichkeitsausdruck durch
Rollenausdruck.
In den Bildern dieses Hommagezyklus gibt es keine "echten"
Porträts im Sinne von Ebenbild. Es sind bildnerisch artikulierte
Masken als Vorgaben, als Rollenausdruck. Auf feurig-blutig-rotem Hintergrund
heben sich Gesichter als Masken ab, die, bei aller Verzerrung, fast
immer im Stil und Duktus des Künstlers gewisse rekurrente Formen
zeigen: Dreiecke, in denen die Vertikale schneidend scharf hervortritt,
oft das Antlitz teilt, entfremdet. Die geometrische Form, streng in
starkem Strich, wird bereichert durch züngelnde, flammengleiche
Striche, wie in Bedrängnis eines Wildwuchses. Aber die Maske bleibt,
fast statisch stark, im bewegten Feld. Dort, wo der Hintergrund hellfarben
gestaltet ist, wird die Maske selbst zum Bild der sich verzehrenden
Flamme, die schmal beginnend sich empor rankt, um im bekannten Dreieck
dann Platz zu nehmen und zu halten.
Manche Gesichter schauen uns nicht an, die Augen sind leer. Da müssen
erst Individuen hinter die personae, damit lebendiger Blick beseelt.
Die Masken sind Möglichkeit und Voraussetzung, aber sie sind sich
nie selbst genug. Damit die persona eine species humana werde, ein Individuum,
wie man später sagte, muss die Form sich mit dem Inhalt verbinden,
die Maske mit dem Träger, die persona mit der Person.
Davon sprechen Adamczyks Maskenbilder. Tantris, der Narr, als Sinnbild
einer Rolle, ja der Möglichkeit des Rollentausches selbst. Narretei
oder Torheit ist beides: positiv und negativ: sie ist Weisheit, wenn
sie dem Menschen Kraft zum (Über)Leben gibt, sie ist (negative)
Torheit, wenn sie eingebildete Weisheit bleibt.
Die Narrenliteratur hatte zwar im 16. und 17. Jahrhundert ihre abendländische
Blüte, man denke nur an Sebastian Brant, Thomas Murner, Erasmus
von Rotterdam, Miguel de Cervantes oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
Aber auch in neuerer Zeit wirkt diese Tradition, ist der Stoff noch
nicht verbraucht. Erwähnt seien Thomas Mann (Tristan, 1902), Charles
Morgang (Sparkenbroke, 1936), James Joyce (Finnigans Wake, 1939), Günter
Grass (Die Blechtrommel, 1959), Heinrich Böll (Ansichten eines
Clowns, 1963), Friedrich Dürrenmatt (Die Physiker, 1961) oder John
Updike (Four sides of one story, 1965), um nur einige ganz Prominente
zu nennen.
In der bildenden Kunst ist die Mehrdeutigkeit eingesetzter Symbole
kultürlich stärker. Dennoch lassen sich Traditionen feststellen,
so beim Gebrauch der Symbole des Bajazzo, Clowns oder Harlekin und der
Masken. Ob bei Miro, Picasso, Rouault, Klee, Balla, Breuer, Ensor, Chagall
oder Beckmann, um nur einige willkürlich herauszugreifen, immer
geht es auch um gewisse Bedeutungskerne, die diesen Symbolen eingeschrieben
scheinen: Verkleidung, Verwandlung, Rollenwechsel, Versteck oder Schutz,
Sinnbild des Wandels und des Werdens, Zeugnis des Spannungsfeldes zwischen
Eigenem und Fremden, Bekanntem und Unvertrautem, Lebendem und Totem.
Adam Adamczyk gliedert sich ein in diese Reihe und schafft mit seiner
Hommage einen Bogen von der Vorstellungswelt des Komponisten Szymanowski
zu seiner eigenen. Er weckt einen Symbolgehalt alten Ursprungs, früherer
Deutung und verbindet ihn mit seiner Artikulation als einer heutigen.
|