Haimo L. Handl

Paradoxon der Tektonik

Adam Adamczyks Porträts und Landschaftsbilder

Porträts sind Bildnisse von Menschen. Abbilder von Subjekten. Sie verweisen auf ein identifizierbares Gegenüber. Porträts wurden realistisch und idealisiert gezeichnet und gemalt; die Ähnlichkeit oder Wiedererkennbarkeit des Vor-Bildes, also des abgebildeten Subjekts, war nicht immer angestrebt. Immer ist aber das Porträt in einem Zusammenhang mit dem Subjekt. Auch jene Porträts, die keine äusseren Identitätsspuren mehr aufweisen, also wegen fehlender Kenntlichkeit keine Übereinstimmung zeigen, sind Porträts als Ausdruck des Porträtierenden von seinem Eindruck der oder des Porträtierten.

Bild ist nicht immer Abbild als Wiedergabe. Der Ähnlichkeitsgrad bestimmt nicht mehr die Qualität eines Bildes, sei es ein Porträt oder ein Landschaftsbild. Bilder sind Kreationen, die, wie im Falle des Porträts oder der nichtidealisierten Landschaftsmalerei , zwar das Vorbild, die Vorlage als Ausgangspunkt nehmen, ihre Aufgabe aber nicht im Abbilden sehen.

Der Titel von Adam Adamczyks Bildern "Paradoxon der Tektonik" verweist auf diese Hintergründe und Möglichkeiten. Die Eindrücke, welche in der Konfrontation mit Vorbildern, das heisst Landschaften als Umgebung, als Blickfeld oder, andererseits, Personen als Gegenüber, sich einstellen bzw. von ihm verstärkt, wenn nicht gar konstruiert werden, finden ihren Ausdruck im Bild, in der Kreation.

Weil es nicht um das Abbild geht, eine Aufgabe, welche die Fotografie "besser" erfüllen könnte, liegt ein weites Feld malerischer Arbeit vor dem Künstler. Die Kreationen lassen sich zwar nach tradierten Einteilungen gewissen Richtungen zuschreiben, doch sind sie weder darauf zu reduzieren, noch erschöpfen sie sich darin. Zu etikettieren, einige Bilder seien "expressionistisch", trifft zwar einige Formelemente, wohl aber nicht eine korrespondierende Geisteshaltung. Die Deutung des Stils, zu welchem Adam Adamczyk fand, und der in allen Porträts starken Ausdruck findet, hängt vom Betrachter und seinen Kenntnissen ab. Je reicher diese Kenntnisse, desto komplexer die Deutungen. Ob die schon grafisch anmutende Farbauftragung und -verteilung in einigen Landschaftsbildern mit der Farbwahl "symbolisch" wird oder nicht, hängt vom Betrachter und seinem (wissenden) Blick ab. Gewisse Reduktionen und Abstraktionen lassen sich ausmachen und stellen Fragen. Manche Geschichten, die das Bild erzählte oder erzählen könnte, werden so selbst schon in Frage gestellt.

Folgt man der spezifischen Arbeitsweise des Künstlers und lässt sich von seinem Ausstellungstitel programmatisch leiten, tut sich ein weiterer Hintergrund auf. Bilder als scheinbare Fixierungen, als Festhaltungen von Veränderlichem. Bilder sind geronnene, verdichtete Zeit, Komprimierungen von Eindrücken. Im Versuch des Festhaltens, auch dort, wo nicht-abbildend kreiert wird, zeigt sich ein Beharren gegenüber dem Leben, das in den Tod mündet. Paradoxerweise versucht die Fixierung als Starres, Statisches die Vergänglichkeit einzuholen, um die endgültige Statik des Todes hintanzuhalten, zu bannen. Der Künstler als Magier und Priester.

Es ist nicht zuletzt diese Haltung und Funktion, welche den Künstler auch gegenwärtig, trotz modernster Technik und Technologie, in seinem Schaffen, auch wo es "altmodisch" erscheint, wichtig und bedeutsam macht.

Kurzfassung der Eröffnungsrede der gleichnamigen Ausstellung im ART CULT CENTER der Austria Tabak am 8. November 2000