PROKLA 131 - Korruptes Empire

In ihrer recht fragwürdigen Analyse des "Empire" treffen Michael Hardt und Antonio Negri zumindest einen wesentlichen Punkt, wenn sie schreiben, "imperiale Souveränität sei durch Korruption bestimmt" (dt. Ausgabe, S.213), und in der lateinischen Ethymologie bedeute "cum-rumpere" nichts anderes als Zusammenbruch. Keine Zusammenbruchstheorie soll neu aufgelegt werden. Es geht um das "System", darum dass Korruption sich kapillar, in allen Verästelungen im Feinen und in den dicken Knoten im Groben einnistet. Es ist immer gesagt worden, dass Korruption weniger Gelegenheiten fände, wenn öffentliche Einrichtungen privatisiert werden, wenn also die Schnittstelle zwischen privat und öffentlich entfalle. Doch hat Korruption eine besonders ausgeprägte Rolle gerade im Zuge von Privatisierungsmaßnahmen gespielt und vor allem hat sie auch einen Platz im privaten Geschäftsverkehr. Korruption wäre folglich missverstanden, wenn lediglich die Schnittstellen zwischen privaten Akteuren und öffentlichen Funktionsträgern den Horizont der Analyse ausfüllen würden. Korruption findet im privaten Geschäftsleben in immensem Umfang statt, wie die Bilanzbetrugsdelikte der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben. Korruption wäre aber auch missverstanden, wenn sie als Ausnahme in einer ansonsten heilen kapitalistischen Welt aufgefasst würde: der Verwertung des Werts als Ziel ökonomischen Handelns sind gesellschaftliche Normen äußerlich, ihre Verletzung liegt in der Logik der kapitalistischen Sache, wenn sich damit der Profit steigern lässt. Korruption tendiert deshalb immer dazu, "systemisch" zu werden, Politik und Ökonomie gleichermaßen zu durchdringen. Dies zeigt sich heute ganz offen: Trotz oder sogar wegen der anrüchigen Geschäfte ist Berlusconi gewählt worden, und seine Versuche, die Justiz auszuschalten, die die kriminelle Seite seiner Geschäfte ahnden könnte, scheinen erfolgreich zu sein. So erfolgreich wie die Strategie der CDU/ CSU, die Parteispendenaffäre und andere Durchstechereien zu verdrängen und als wirtschaftliche Kompetenz auf der Habenseite in der Wählergunst zu verbuchen. Die Herrschaft wird durch Korruption gesichert, die Korruption findet bis zu einem bestimmten Grade Anerkennung. Die ideologische Basis dafür wird durch die neoliberale Ideologie verstärkt, die gesellschaftliche Verantwortung nicht kennt und den individuellen Erfolg bejubelt - gleichgültig, welche Kosten für andere, für die Gesellschaft damit verbunden sind. Durch die Globalisierung sind noch viel größere Freiräume geschaffen werden, in denen sich kleine und grosse Betrüger unreguliert und daher frei-marktwirtschaftlich entfalten können. Die Beispiele der Bilanzbetrügereien aus den USA, die Fälle Enron, Worldcom, Xerox, AOL-Time Warner etc. haben selbst Globalisierungsfanatiker und eingefleischte Neoliberale aufgeschreckt. Doch sind dies nur die Spitzen des Eisbergs eines Kapitalismus, der - anders als die klassische politische Ökonomie sich dies einst vorstellte - an keine Moral gebunden und unfähig ist, Mechanismen zu erhalten, die die Gier der Marktagenten in "ruhige Leidenschaften" zu sublimieren imstande wären.