Neue Zürcher Zeitung BLICKPUNKT Dienstag, 03.11.1998 Nr. 255 67

Schleichende humanitäre Katastrophe

msn. Die Fakten sind ernüchternd: Weltweit sind in den letzten Jahrzehnten schätzungsweise 110 Millionen Personenminen in über sechzig Staaten, vor allem in der Dritten Welt, verlegt worden, ein Grossteil von ihnen unsystematisch und undokumentiert. Jedes Jahr kommen bei Unfällen rund 25 000 Personen ums Leben, weit mehr Personen werden durch die Waffen meist lebensbedrohend verletzt. Die Kosten für die Erstbehandlung eines Minenopfers belaufen sich je nach Schwere der Verletzungen nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auf mehrere Tausend Franken. Darin nicht eingeschlossen sind Kosten, die etwa für die Herstellung von Prothesen, die Rehabilitation oder wegen des Arbeitsausfalls des Betroffenen entstehen.

Noch düsterer fällt die Bilanz aus, wenn man die durch Minen verursachten indirekten Schäden einbezieht. Eine einzige nicht lokalisierte Mine kann die Bearbeitung einer Ackerfläche verunmöglichen; ganze Landstriche veröden, Strassen müssen für den Verkehr gesperrt werden, die lokale Bevölkerung wird in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Minenfelder verhindern in vielen Fällen die Rückkehr von Flüchtlingen und den für einen nachhaltigen Friedensprozess unabdingbaren Aufbau zerstörter Infrastrukturen. Als Folge verschärft sich die Situation kriegsversehrter Länder zusätzlich, ihre Abhängigkeit von internationaler Hilfe bleibt selbst lange Zeit nach Beendigung des Konfliktes gross.

 


Neue Zürcher Zeitung BLICKPUNKT Dienstag, 03.11.1998 Nr. 255 67

Aufbau von Informationssystemen

msn. Zu den Kernelementen für eine effiziente Minenräumung gehört die Information darüber, wo sich welche Minen befinden. Präzises Kartenmaterial und hochauflösende Satellitenphotos, Angaben über Gelände- und Bodenbeschaffenheit, Hinweise auf die von den Kriegsparteien vermutlich eingesetzten Minentypen, Informationen über Unfälle im Zusammenhang mit Minen und bereits im Feld operierende Hilfsorganisationen erlauben es, Doppelspurigkeiten zu vermeiden, die Allokation von Hilfsgeldern zu vereinfachen und zielgerichtete Räumaktionen zu beschleunigen.

Neben zahlreichen kommerziellen Anbietern beschäftigt sich im Auftrag der Uno auch das Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung, das Anfang des nächsten Jahrs offiziell eröffnet werden soll, mit der Entwicklung eines integrierten Informationssystem für Minengebiete. Die technische Verantwortung für das Projekt liegt dabei bei der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung der ETH Zürich. Im Vordergrund steht nach Aussagen des Projektleiters Reto E. Häni die Entwicklung einer Software, die den Verantwortlichen von Feldmissionen den Aufbau und Betrieb eines Uno-Minenzentrums erleichtern und gleichzeitig dem Hauptquartier in New York eine effizientere Koordination ermöglichen soll. Dabei wird bewusst auf High-Tech-Lösungen verzichtet; das Computerprogramm soll einfach zu bedienen sein, auf einer bewährten und bekannten Plattform (Windows) laufen und möglichst gut den Anforderungen der Anwender entsprechen. Mit der im Januar geplanten schrittweisen Einführung des Systems verbindet die Uno unter anderem die Hoffnung, Kosten einsparen zu können.