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Ludwig Watzal
Parteilichkeit und Versöhnungswille
Der Friedensprozeß im Nahen Osten
Eine Bilanz des Friedensprozesses im Nahen Osten lohnt allemal. Dies geschieht
auch in dem vorliegenden Buch. Die Beiträge wurden im Rahmen eines Seminars
des Pädagogischen Instituts des Bundes und des Jüdischen Museums in Wien
gehalten. Sie kreisen um die Chancen und Risiken eines dauerhaften Friedens
im Nahen Osten. Von einem historischen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen,
sozialen und religiösen Blickwinkel wird der Nahostkonflikt beleuchtet.
Das Buch leistet darüber hinaus aber noch einen besonderen Beitrag zur
politischen Bildung, insbesondere in Österreich.
Eingeleitet wird der Band mit einem historischen Überblick über die
Geschichte Israels, von John Bunzl, Dozent am Institut für Politikwissenschaft
der Universität Wien. Die Spannungen, die religiöse jüdisch-zionistische
Kreise mit dem Frieden haben, wird in dem Beitrag von Uriel Simon, Professor
emeritus an der Hebräischen Universität in Jerusalem, deutlich. Der Idee
des territorialen Kompromisses stehen dabei quasi die biblischen Verheißungen
im Wege. Leider ist der Beitrag in Englisch abgedruckt und wirkt deshalb
wie ein Fremdkörper.
Zu einer sehr realistischen Beurteilung der Rolle der USA im Friedensprozess
kommt Helmut Kramer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität
in Wien. Der Autor zeigt die Parteilichkeit der Amerikaner auf, die weit
von ihrer Rolle als "ehrlicher Makler" entfernt sind. Die Position der Clinton-Administration
sei weitestgehend auf die israelische Position zugeschnitten. So hätten
die USA eine "wenig weitsichtige und im Wesentlichen ohne klares Konzept
verfahrende und reaktive politische Position eingenommen".
Kollektive Lüge
Der Beitrag von Sabine Loitfellner, Studentin an der Universität Wien,
ist besonders aufschlussreich für die politische Bildung, da er die Rolle
Österreichs während der Nazi-Herrschaft und die Position des Landes zum
Holocaust thematisiert. Die Autorin macht deutlich, dass die führenden Politiker
der Zweiten Republik sich in einer kollektiven Lüge bis heute gut eingerichtet
hatten. Der Mythos der "Stunde Null" und Österreich als "erstes Opfer Hitlers"
haben eine Aufarbeitung der Geschichte und des Beitrages Österreichs zur
Judenvernichtung verhindert. Die eigenen Taten wurden vertuscht und geleugnet,
somit gab es auch "keine Übernahme der Verantwortung für die NS-Verbrechen".
Österreichs Rolle in der Internationalen Politik ist mit dem Namen Bruno
Kreisky eng verbunden. In dem Beitrag von Gerhard Schmid, Lehrer an der
Berufspädagogischen Akademie des Bundes in Wien, erfährt Kreisky endlich
eine gerechte Würdigung. Seine Nahostpolitik war zukunftsweisend und den
anderen europäischen Staaten weit voraus. Er setzt schon früh auf Dialog
der verfeindeten Parteien. Für seinen Einsatz wurde Kreisky von rechten
und nationalistischen israelischen Politikern, aber auch von seinen sozialistischen
"Freunden" in der israelischen Arbeitspartei heftigst angegriffen. Der österreichische
Jude Kreisky war vom Zionismus weit entfernt, und er lehnte die Idee, wonach
die Juden der ganzen Welt eine Nation seien und dass Israel als Staat dieser
Nation die Treue der Juden in der Welt fordern kann, strikt ab.
Seine Position deckte sich eher mit der des Schriftstellers Arthur Koestler,
der die Existenz einer jüdischen Rasse als "Mythos" bezeichnete. "Diese
Auffassungen standen in einem krassen Gegensatz zur israelischen Staatsauffassung",
so Schmid. Für Kreisky war die Existenz Israels "nach Auschwitz eine Selbstverständlichkeit".
Sein Einsatz für eine Verständigung zwischen Israelis und seinen arabischen
Nachbarn wird heute leider nicht ausreichend gewürdigt. Deshalb ist dieser
Beitrag von besonderem Wert, da rechtskonservative Kreise in Israel und
auch Österreich Kreiskys Ruf immer wieder versuchen zu diskreditieren, wie
jüngst Ben Segenreich in dem Sammelband von Gisela Dachs.
Obwohl für die politische Bildung in Österreich konzipiert, sollte dieses
Buch auch in einschlägigen deutschen Kreisen Berücksichtigung finden.
Werner Gatty / Gerold Heckle / Gerhard Schmid (Hrsg.):
Der Friedensprozess im Nahen Osten. Gedanken und Reflexionen zur Politik.
Studien Verlag, Wien 2000; 157 S., 34,- DM
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