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Nr. 32 - 33 / 3./10. August 2001


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Bundeszentrale für politische Bildung
 
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Ludwig Watzal

Denken ohne Scheuklappen

Ungewohnte Ansichten zum Nahost-Konflikt

Im israelisch-palästinensischen Konflikt will kein Durchbruch gelingen. In Israel und Palästina schaffen potenzielle und wirkliche Angst ein Klima der ständigen Bedrohung, - ein Lebensgefühl, an das sich die Menschen gewöhnt haben und doch nicht gewöhnen können. Anlässlich der alltäglichen Gewalt ist eine solche Haltung auch verständlich. Mit der durch die Terroranschläge ausgelösten Angst befassen sich die Beiträge der zehn palästinensischen, israelischen und arabischen Schriftsteller nur sekundär; primär geht es ihnen um die Kontrolle der kollektiven Erinnerung als Teil des gewaltsamen existenziellen Kampfes um das nationale Überleben.

Die Beiträge eines Symposiums in Zürich geben Aufschluss über die Zerrissenheit in ihrer Heimat. Die Teilnehmer sind alles andere als die typischen Vertreter beider Völker. Ihre Ideen liegen abseits des Mainstreams und sind deshalb umso bedenkenswerter. Sie zeigen, dass es gelungen ist, aus den in den jeweiligen Gesellschaften dominanten Gesprächsmustern und Streitkulturen, die in einem hohen Maße inkompatibel sind, auszubrechen.

Schuld anerkennen

So fordert der Politikwissenschaftler Ilan Pappe von der Universität Haifa die Einsetzung einer Wahrheitskommission nach dem Beispiel Südafrikas für Israel und Palästina. Pappe geht davon aus, dass ein Weg weg von der Gewalt und hin zur Versöhnung nur dann möglich sein wird, wenn Israel seine Schuld am Schicksal der Palästinenser anerkennt, und zwar seit 1948. Die dominante Meinung der israelischen Linkszionisten geht davon aus, dass bis 1967 die Araber die Bösen gewesen seien und seit 1967 - mit der Besetzung der Westbank - die Israelis. Eine solche Konstruktion entbehre jedes historischen Gedächtnisses.

Von den Palästinensern fordert Pappe die Anerkennung der zentralen Rolle des Holocausts in der israelischen Gesellschaft. Diese müsse universalisiert werden und die Manipulation dieser Erinnerung durch den Zionismus aufhören. "Versöhnung ist nur zu erreichen durch ein Ende der Viktimisierung und die Anerkennung der Rolle Israels als Viktimisierer", so Pappe.

Samir El-Youssef, ein im Flüchtlingslager im Libanon aufgewachsener und jetzt in London lebender palästinensischer Schriftsteller, spricht eines der größten palästinensischen Tabus an: die Frage, ob auch das Gegenüber ein Opfer und damit die Kritik am eigenen Verharren in der Opferrolle noch zeitgemäß ist. Er kritisiert die unter arabischen Intellektuellen weit verbreitete Leugnung des Holocausts. Er gehört damit zu einer winzigen Minderheit.

Einen weiteren außergewöhnlichen Beitrag lieferte die jüdisch-irakische Kulturwissenschaftlerin Ella Shohat. Sie schildert, wie der europäisch (aschkenasisch)-dominierte Zionismus den Mizrahim (orientalischen Juden) ihre arabischen Wurzeln buchstäblich aus ihrem Körper auszutreiben versuchte. Dies zeigt sie am Beispiel ihres Vaters auf, der aus einer gebildeten irakischen Familie entstammte, in Israel aber als "primitiver Araber" erniedrigt wurde. Mit ihrem Beitrag hält Shohat den Finger in eine offene Wunde Israels: die orientalischen Juden als die jüdischen Verlierer des Zionismus.

Mit dieser Publikation ist es den Veranstaltern gelungen, jenseits der ausgetretenen ideologischen Wege Lösungen aufzuzeigen, die zwar unbequem sind, die aber letztendlich umgesetzt werden müssen, um den israelisch-palästinensischen Konflikt friedlich zu lösen.

Rafik Schami (Hrsg.):

Angst im eigenen Land. Israelische und palästinensische Schriftsteller im Gespräch

Nagel [amp ] Kimche, Zürich 2001; 174 S., 25,-

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