|
|
Ludwig Watzal
Erlösung nur durch Gerechtigkeit
Konferenz über Menschenrechte in Israel
Das letzte Jahr war ein gutes Jahr für die Menschenrechte in Israel", sagte
Lea Tsemel, israelische Menschenrechtsanwältin auf der Konferenz "Kultur
und Gemeinschaft in Jerusalem. Strategien zum Schutz und Förderung von Menschenrechten",
die vom 5. bis 7. Juni in Jerusalem stattfand. Die zahlreichen Beiträge
machten schnell deutlich, dass die Zukunft Palästinas nicht so rosig aussieht.
Jerusalem, die Menschenrechte und die Gründung eines Staates standen im
Mittelpunkt dieser Konferenz, an der sich über 600 Teilnehmer durch ein
ehrgeiziges Programm arbeiten mussten.
Für Hanan Ashrawi stellt Jerusalem den Lakmustest für den gesamten Friedensprozess
dar. An diesem Ort entscheide sich, ob Friede überhaupt möglich sei. Sie
verurteilte die andauernde Unterdrückung, die Ungerechtigkeiten und die
Diskriminierungen, denen die Palästinenser ausgesetzt sind. Das Gespenst
eines "neuen rassistischen Südafrika" wurde mehrmals an die Wand gemalt.
Völkerrechtsverletzungen
Völkerrechtlich seien alle Maßnahmen der israelischen Besatzungsmacht
null und nichtig, solange Yassir Arafat nicht einen endgültigen Vertrag
unterschreibe. Sollte dies geschehen, würde auch die Generalversammlung
dies anerkennen und damit sei der Konflikt erledigt, so Professor Colm Campbell
von der Universität Ulster in Nordirland. Er sprach über die zahlreichen
Verletzungen des Völkerrechts: "Ein Staat wie Israel, der so oft das Völkerrecht
gebrochen hat, sollte damit nicht so leicht davon kommen."
Jerusalem als das Zentrum der drei monotheistischen Religionen kann
nicht allein durch Israel kontrolliert werden. Nimmt man die Ausführungen
des Rabbiners Jeremy Milgrom von "Clergy for peace" ernst: "Zion kann nur
durch Gerechtigkeit erlöst werden", so ist der Alleinvertretungsanspruch
Israels auch religiös nicht haltbar. Auch die Verbindung von Religion und
Nationalismus, wie es die Nationalreligiöse Partei (Mafdal) propagiere,
sei mit dem Judentum nicht zu vereinbaren. "Wir müssen wegkommen vom Nationalimus
und den Islam und das Christentum als Partner behandeln", so der Rabbiner.
Solange Israel Moscheen in Bars, Restaurants, Fabriken oder Galerien umfunktioniere,
solange könne man die Menschen nicht von einer Versöhnung überzeugen, betonte
der Islamwissenschaftler Mustafa Abu-Sway.
Die Frage eines palästinensischen Staates und der Status Jerusalems
beunruhigte zahlreiche Redner. Azmi Bishara, Knessetabgeordneter und israelischer
Palästinenser, sprach sich gegen einen eigenen Staat aus, obwohl er proklamiert
werden wird. "In der Logik des Friedensprozesses bin ich gegen einen eigenen
Staat." Nicht der Staat sei primär, sondern die Überzeugung der Weltöffentlichkeit
von der "gerechten Sache". Der augenblickliche Friedensprozess sei zutiefst
"ungerecht". Israel und die Vereinigten Staaten werden aber in den kommenden
Monaten so viel Druck auf Arafat ausüben, dass dieser die ihm aufgezwungen
Konditionen akzeptieren werde. Die Rolle der Europäischen Union schätzt
der Abgeordnete nicht sehr hoch ein: "Europa ist der Forschungsassistent
Israels und der USA." Nach der Staatsgründung werde man mit Israel über
alles das verhandeln, über das man bereits jetzt keinerlei Einigung erzielen
konnte. Für die Menschen sei ein Staat nicht so wichtig, sie wollten eher
wissen, was mit Jerusalem, den Siedlungen und den Flüchtlingen geschehe.
Die Erfolge im Kampf um Menschenrechte dürfen aber die andauernden Verletzungen
von Seiten Israels und der palästinensischen Behörde nicht vergessen machen.
Der Erfolg sei nur durch eine enge Kooperation zwischen den Menschenrechtsorganisationen
möglich geworden, so Lea Tsemel. Als ein besonderes "highlight" hob sie
die Entscheidung des Obersten Gerichts gegen die Folterungen des israelischen
Geheimdienstes hervor.
Landrecht gegen Beduinen
Besonderen Diskriminierungen, denen die Beduinen in Israel ausgesetzt sind,
zeigte Oren Yiftachel von der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva auf.
Obwohl sie zum palästinensischen Volk gehören, sind sie von den Enteignungen
am meisten betroffen. Seit 1948 werden sie immer wieder von ihren angestammten
Plätzen vertrieben. Das Mittel ihrer Vertreibung geschieht durch das Landrecht.
Land werde immer nur von der arabischen Seite zur jüdischen transferiert.
Mit welchen Herausforderungen es die palästinensische Führung zu tun hat,
zeigte der holländische Karteograph und Planer Jan de Jong. Anhand von detaillierten
Karten und dem Dorf Anata in der Nähe Jerusalems erläuterte er, was den
Palästinensern von israelischer Seite bevorsteht, wenn sie weiter ihre politische
Agenda gegen die Menschen vor Ort durchsetzen. De Jong plädierte für ein
koordiniertes Vorgehen von unten nach oben. Das Szenario, das er entwarf,
war mehr als düster. Ob die palästinensische Führung an diesen Einwänden
interessiert ist, darf bezweifelt werden, da sie offiziell nicht vertreten
war. Auf der Grundlage der zu erwartenden Verträge wird sich der Konflikt
endlos fortsetzen.
Zurück zur Übersicht
|