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Nr. 15 - 16 / 12./19. April 2002


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Bundeszentrale für politische Bildung
 
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Johannes L. Kuppe

Sharon müsste einlenken

Der Konflikt ist lösbar, aber:

Weil es von Anfang an zumeist im Unrecht war", so könnte man Watzals Botschaft in einem Satz zusammenfassen. Diesem einseitigen Grundtenor muss man freilich widersprechen, denn er verleitet genauso zu falschen Schlüssen, wie jenes, gerade in Deutschland lange gepflegte Vorurteil, dass die Israelis fast immer Recht haben, weil die Palästinenser eben Terroristen sind. Seltsam, dass sich in Deutschland eine abgewogene Analyse des Nahost-Konflikts so schwer durchsetzen kann.

So sehr Watzals häufig durchbrechende Grundstimmung den Widerspruch des Rezensenten anstachelt, so gerne hebt er auch einen großen Vorzug der Arbeit hervor: Der Autor räumt gründlich mit dem gerade in Deutschland immer wieder gefütterten Vorurteil auf, die Israelis seien seit der Gründung ihres Staates stets die Opfer ihrer - bis zum Frieden mit Ägypten und Jordanien immer - insgesamt böswilligen arabischen Nachbarn gewesen.

Bedauerlicherweise geht es nun aber in der Zeitgeschichte nicht zu wie in der Mathematik, wo Minus mal Minus ein Plus ergibt. Man kann in einer zeitgeschichtlichen Analyse nicht ein Vorurteil mit einem anderen wettzumachen versuchen, es etwa dadurch auszubalancieren, dass man jetzt endlich mal der anderen Seite ständig Recht gibt, weil doch die eine bisher zu Unrecht immer Recht bekommen hat.

Nun besteht das Buch bei weitem nicht nur aus Vorurteilen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Autor viel Richtiges mitteilt, aber zu oft falsch gewichtet oder bei historischen Daten unvollständig bleibt. Zu Beginn versucht er, die Vorgeschichte des Friedensprozesses seit der Staatsgründung einzufangen. Das zweite Kapitel beschreibt diesen Prozess zwischen 1993 und 2000 selbst. Im dritten geht es um die Frage der Menschenrechte, vor allem aber um Menschenrechtsverletzungen der Israelis. Im letzten liefert der Autor einen gerafften Blick auf den inneren Disput des jüdischen Staates, also über Demokratie, Judentum, Nation und Zionismus.

Ungenaues

Das Buch fängt ziemlich schwach an, endet dann aber ziemlich gut. Das erste Kapitel enthält unzählige Ungenauigkeiten, und ist zudem noch etwas flüchtig geschrieben. Beispiele:

Wenn Watzal in der ("quasi"-)Entdeckung des "verschütteten nationalen Charakters des Judentums" durch die jüdischen Eliten seit Theodor Herzl vor allem "auch eine Reaktion... auf die "Auflösung traditioneller jüdischer Werte" sieht, so ist das eben nur die halbe Wahrheit. Watzal nennt den Hauptgrund für diese Entdeckung nicht: die Pogrome gegen Juden vor allem in Osteuropa im 19. und 20. Jahrhundert, wo die traditionellen Werte noch keineswegs aufgelöst, sondern noch sehr lebendig waren.

Und noch zwei Beispiele für Halbwahrheiten. Das fürchterliche Massaker des jüdischen Arztes Baruch Goldstein in Hebron im Februar 1994, wo er in einer Moschee 29 betende Moslems hinterrücks erschoss, und die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Itzhak Rabin im November 1995 in Tel Aviv durch einen fanatischen Israeli erklärt Watzal "aus der jüdischen Religion" (S.65). Für den Hebron-Mord zitiert er einen (nicht sehr bekannten) israelischen Antizionisten (Shahak), der diesen Zusammenhang wenig später in einer israelischen Zeitung "überzeugend nachgewiesen" habe. Du meine Güte! Da ist eine israelische (Außenseiter-) Stimme, schon ist was "nachgewiesen"! Mit der Gravität derartiger Argumente könnte man auch die Hexenverbrennungen der Inquisition und die Verbrechen einiger Renaissance-Päpste aus der katholischen Religion "erklären".

Details

Und ein letztes. Watzal nennt den "Besuch" des Ministers im Kabinett Barak, Ariel Sharon, im September 2000 auf dem Jerusalemer Tempelberg in Begleitung von "ca. 3 000 bewaffneten Soldaten und Polizisten" (wahrscheinlich waren es nur etwa 1000 Polizisten, aber auch das hat gereicht, JK.) eine "bewusste Provokation der Palästinenser"

Er hat Recht, wenn er darin den Auslöser für die folgenden zweite Intifada sieht. Doch von der Vorgeschichte fehlt ein wichtiges Detail: Der "Besuch" Sharons war nicht nur mit Barak, sondern auch mit der palästinensischen Autonomiebehörde fast auf den Tag genau abgestimmt, also gewissermaßen von ihr genehmigt. Was dann tatsächlich als Provokation wirkte, waren die so nicht abgesprochene martialische Begleitung Sharons und die Tatsache, dass er einen Tag vor dem Freitagsgebet kommt. Hier geht es nicht um eine (unmögliche) Entlastung Sharons, sondern darum, die häufig sehr verwickelten Winkelzüge im israelisch-palästinensischen Konflikt zu durchschauen, und nicht vorschnell prima vista zu urteilen.

Auch die folgenden zwei Kapitel enthalten zahlreiche Einseitigkeiten, so wenn Watzal immer vom Friedensnobelpreisträger Peres in Anführungszeichen schreibt. Wenn Peres diesen Preis zu Unrecht trägt, wie der Autor wohl insinuieren will, dann müsste er das wohl an dessen Politik festmachen. Was wir dazu lesen, reicht aber bei weitem nicht.

Immerhin zeigen diese Kapitel, dass Israel nicht immer das unschuldige Opfer war und ist und warum seine Politik gegenüber den Palästinensern von diesen als Staatsterror empfunden werden muss. Der palästinensische Terror beginnt im Bewusstsein vieler Beobachter sein lange übersehenes Pendant zu finden. Das mag auch ein Grund sein, warum man, wie unlängst Dirk Hanen von der Lüneburger Ostakademie, von einem klimatischen "Paradigmenwechsel" in der deutschen Öffentlichkeit sprechen kann: Die jahrzehntelange projüdische und proisraelische Haltung scheint bereits in eine propalästinensische umzuschlagen - nein, sie ist es schon, behauptet der Rezensent.

Das letzte Kapitel enthält soviel Richtiges, dass einzelne Einwände hier als Petitessen erscheinen würden. Leider ist das Buch schlecht lektoriert (Grammatik, Wortverstümmelungen), die Inhaltsangabe ist zudem unvollständig. Wer vom Thema schon etwas weiß, wird Watzals Buch in Zeiten überschwappender Terrorismusdebatten sicher mit Interesse zur Kenntnis nehmen. Als Einführung in die nahöstliche Konfliktlage ist es aber nicht unbedingt zu empfehlen.

Ludwig Watzal:

Feinde des Friedens.

Der endlose Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.

Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001; 341 S., 8,95 €

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